Diesen Freitag können Interessierte die Diskussion ab 12 Uhr live bei YouTube oder auf dem facebook-Kanal der IG BCE zwischen Vertreter*innen der Gewerkschaft und der Arbeitgeber verfolgen. Die Abschlussveranstaltung ist Teil des Aktionsmonats und hat zum Ziel, gemeinsam mit den Arbeitgebern konkrete und verbindliche Lösungen für das Ausbildungsplatzangebot zu verabreden. Mit dabei werden der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis und Francesco Grioli sein, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands sowie Bundesjugendsekretär Philipp Hering. Hintergrund ist die – unter anderem im Zuge der Corona-Pandemie – um rund zehn Prozent gesunkene Anzahl der Ausbildungsplätze bundesweit. Zu deutlichen Rückgängen des Ausbildungsplatzangebots ist es auch in den Branchen der IG BCE gekommen.
„Für 2021 müssen wir jetzt alles dafür tun, diese besorgniserregende Entwicklung umzukehren. Wir erwarten von den Unternehmen, dass Ausbildungskapazitäten wieder hochgefahren werden“, so Francesco Grioli, der im geschäftsführenden IG-BCE-Hauptvorstand für die Themen Ausbildung und Jugend zuständig ist. Die Gesellschaft habe der Wirtschaft mit Milliardenbeträgen unter die Arme gegriffen. „Wer jetzt an der Ausbildung spart, ist dieser Solidarität nicht wert“, betont Grioli. Außerdem sei ein solches Verhalten alles andere als nachhaltig. Nicht nur mit Blick auf die soziale Verantwortung der Wirtschaft für künftige Generationen, sondern auch mit Blick auf die Zukunftsperspektiven des eigenen Unternehmens. Er unterstreicht: „Wir brauchen gut qualifizierte junge Leute, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“
AKTIONSMONAT MIT KUNDGEBUNG IN KÖLN
Mit einer Aktion im Ausbildungszentrum im Chempark Dormagen hat der IG-BCE-Landesbezirk Nordrhein den Aktionsmonat gestartet. Deutschlandweit folgten weitere Aktionen, darunter eine Kundgebung in Köln mit rund 150 Teilnehmer*innen am 23. Juli. Mit bunten Schildern und zahllosen IG-BCE-Fahnen demonstrierten die Gewerkschafter*innen entschieden gegen das mittlerweile deutlich gesunkene Ausbildungsplatzangebot.
Unter den Teilnehmer*innen waren zahlreiche Auszubildende, Ausgelernte, JAV-Vorsitzende und Mitglieder des Bundesjugendausschusses (BJA). Bundesjugendsekretär Philipp Hering kritisierte auf der Kundgebung, dass einige Arbeitgeber gerne über Fachkräftemangel jammerten – wer darüber jammere, müsse aber auch selbst ausbilden, forderte er: „Wir erwarten keine Lippenbekenntnisse, sondern echte Lösungen!“
TEILNEHMER*INNEN SETZEN ZEICHEN FÜR AUSBILDUNG
Julia Berghaus vom Landesbezirksjugendausschuss Nordrhein verwies darauf, dass die Jugend in der Corona-Krise genug zurückgesteckt habe und die duale Berufsausbildung auch für Unternehmen fundamental sei – nicht jeder wolle oder könne studieren. Meryem Sitmapinar sieht das ähnlich. Die 23-Jährige ist Chemielaborantin im dritten Lehrjahr bei Covestro am Standort Leverkusen und kritisiert, dass einige Unternehmen nicht ausbildeten und damit ihrer Verantwortung nicht gerecht würden. „Es ist Zeit, das zu ändern und ein Zeichen an Arbeitgeberverbände und Unternehmen zu senden“, erklärt sie.
Und Marius Vennemann, 25 Jahre, ausgelernter Chemikant bei OQ Chemicals in Oberhausen, kennt das Problem aus eigener Anschauung. „Aufgrund von Einsparungen sind die Ausbildungszahlen bei uns für dieses Jahr deutlich reduziert worden“, erzählt Vennemann, der auch im BJA und der JAV ist. Immerhin: Für nächstes Jahr konnten er und seine Kolleg*innen wieder eine Anhebung der Ausbildungsplätze mit dem Arbeitgeber vereinbaren.
Über die Aktionen ist die IG BCE zusätzlich auf betrieblicher Ebene aktiv: Sie hat alle Arbeitsdirektor*innen, Betriebsrät*innen sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen in ihren Branchen angeschrieben und aufgefordert, das Ausbildungsniveau in den Betrieben auszubauen und noch freie Stellen mit Hochdruck zu besetzen. In der Petition “Jetzt! Ausbilden” fordert die IG BCE von den Unternehmen: „Nehmt eure Verantwortung endlich ernst, denn es geht auch um eure Zukunft!“ Der Rückgang der verfügbaren Ausbildungsplätze sei eine “Riesenbelastung für alle jungen Menschen”, die über eine Ausbildung eine Zukunft in den Branchen der IG BCE suchten. Hier geht es zur Petition.
HINTERGRUND: ZAHL DER AUSBILDUNGSPLÄTZE DEUTLICH GESUNKEN
Die Anzahl der Ausbildungsplätze wurde im vergangenen Jahr dramatisch abgebaut: Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sank bundesweit um 57.600 (minus elf Prozent) auf 467.500. Damit fiel sie erstmals seit Jahrzehnten unter die Schwelle von 500.000. Auch in den Branchen der IG BCE ist die Zahl der Ausbildungsplätze zuletzt spürbar gesunken. In konkreten Zahlen bedeutet dies neben einem Rückgang von über 700 Ausbildungsplätzen im vergangenen Jahr und der Prognose von noch einmal rund 300 Ausbildungsplätzen in diesem Jahr einen Verlust von über 1.000 Ausbildungsplätzen. Auch sonst wirkt sich die Pandemie stark auf die Ausbildung aus: Viele Auszubildende haben mit Distanzlernen, fehlender Praxis in der Produktion, Kurzarbeit und anderen Problemen zu kämpfen.