Nicht erst seit Corona befinden sich viele Firmen im Automotive-Bereich – darunter insbesondere die Zulieferer – in einer schwierigen Situation. Die Probleme der Branche werden durch den coronabedingten Einbruch der Konjunktur weiter verstärkt. Um aus der Krise zu kommen, braucht es nicht nur starke ArbeitnehmervertreterInnen, sondern auch das Mitwirken der Politik. Der Landesbezirk Bayern der IG BCE hat deshalb BetriebsrätInnen aus allen Bezirken zu einem virtuellen Netzwerktreffen Automotive eingeladen.
Corona hat wie ein Brennglas gewirkt: Latent bestehende Probleme sind durch die Pandemie noch deutlicher zutage getreten. Das betonte Beate Rohrig zu Beginn des Netzwerktreffens. Den Austausch der BetriebsrätInnen aus dem Automotive-Bereich wollte die Landesbezirksleiterin der IG BCE Bayern deshalb nicht nur für ein Stimmungsbild über die Lage der Zulieferer nutzen. Beate Rohrig ging es auch darum, diesen die Gelegenheit zu bieten, sich gegenseitig vernetzen zu können und mögliches Unterstützungspotenzial durch die IG BCE Bayern auszuloten – im praktischen Doing genauso wie auf politischer Ebene.
Zu schaffen macht den Zulieferern ein teilweise massiver Auftrags- und Umsatzrückgang, fehlende Planungssicherheit, eine unsichere Perspektive, der zunehmende Preisdruck seitens der Automobilhersteller genauso wie die große Abhängigkeit von letzteren. Vor allem die mitunter täglich schwankenden Abrufzahlen kamen zur Sprache. Heiße es eine Woche „Vollgas“, könne in der Folgewoche die Produktion komplett stillstehen. Die paradoxe Konsequenz: Kurzarbeit und ein Abbau der Stammbelegschaft gingen Hand in Hand mit Sonderschichten und dafür wiederum nötigen LeiharbeitnehmerInnen.
„Die Umsatzrekorde der Zulieferer fanden 2019 ihr Ende“
Das von den Betriebsräten gezeichnete Bild wurde ergänzt durch Werner Voß. In seinem Vortrag nahm der Industriegruppensekretär der IG BCE aktuelle politische, regulative sowie technologische Trends in den Blick. „Die Umsatzrekorde der Zulieferer fanden 2019 ihr Ende“, lautete sein Resümee.
Die Corona-Pandemie hat ihr Übriges zur ohnehin herausfordernden Situation beigetragen: Allein in Deutschland erfuhren die Neuzulassungen von PKWs durch den Corona-Lockdown den stärksten Einbruch seit Kriegsende. Allerdings: Im September 2020 war die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland höher als in den beiden Vorjahren.
Doch trotz der Konjunkturimpulse herrsche nach wie vor große Verunsicherung, so Werner Voß. Entscheidend ist für ihn nicht nur der weitere Verlauf der Corona-Pandemie: „Ein ‚No Deal Brexit‘ könnte zu einem Nachfragerückgang von rund drei Millionen Fahrzeugen führen. Diese Entwicklungen würden massive Auswirkungen auf die Zulieferketten und -netzwerke haben.“
Forderungen an die Politik: regionale Transformationscluster, Kurzarbeitergeld mit Weiterbildungsanspruch, keine Rechnung ohne CO2-Abdruck
Die dritte große Herausforderung sieht Werner Voß in der angestrebten Klimaneutralität vieler Autobauer in den nächsten Jahrzehnten. Auch für die Zulieferer bedeutet das, mit spektakulären technologischen Fortschritten Schritt halten zu müssen. „Stehen die Automobilhersteller unter Druck, geben sie diesen natürlich an die Zulieferer weiter, die verstärkt dazu getrieben werden, Anpassungen vorzunehmen“, so Werner Voß.
Gehör verschaffen werden sich die BetriebsrätInnen bereits am 3. Dezember können, wenn sie auf Initiative der IG BCE Bayern eingeladen sind, ihre Positionen einem Vertreter des Bayerischen Wirtschaftsministeriums darzulegen. Eine der Forderungen wird sicherlich die nach einer präventiven Strukturpolitik in Form von regionalen Transformationsclustern sein, die schon in der Phase des Wandels gestaltend handelt. Hinzu kommt der Wunsch nach Einführung eines Transformations-Kurzarbeitergelds mit Weiterbildungsanspruch, um die MitarbeiterInnen zu qualifizieren und fit für die Zukunft zu machen.
Zudem wurde bei den Betriebsräten der Ruf laut, in die von den Automobilherstellern propagierte Klimaneutralität die gesamten Lieferkette einfließen zu lassen, also auch den CO2-Abdruck der Zulieferer in die Rechnung einzubeziehen. „Made in Germany“ könne hier durch kurze Transportwege und CO2-ärmere Produktion neu punkten. Kurzum: Es bedarf kreativer, moderner und nachhaltiger Lösungen, um aus der Krise zu kommen. Das machte das virtuelle Netzwerktreffen genauso deutlich, wie die schwierige Situation, in der sich Zulieferer wie Automobilhersteller gleichermaßen befinden.