Arbeitsgerichte haben Entscheidungen zur Zulässigkeit von Präsenzsitzungen von Konzernbetriebsräten und Belegschaftsquoren in Betriebsvereinbarungen getroffen. Gute Nachricht für die Arbeitnehmer: Die Präsenzsitzungen sind zulässig, die Belegschaftsquoren in Betriebsvereinbarungen nicht. Hier die Sachverhalte und die Entscheidungen auf einen Blick.
Sitzung des Konzernbetriebsrats als Präsenzsitzung zulässig
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 8.10.2020, Az.: 7 BVGa 12816/20
Sachverhalt:
Im Verfahren ging es um eine Arbeitgeberin, die für alle Beschäftigten einrichtungsübergreifende dienstliche Treffen und Zusammenkünfte untersagt hat. Hintergrund: Die Covid-19-Pandemie. Der Konzernbetriebsrat plant eine mehrtägige Sitzung in Präsenz, zu der einige Betriebsräte anreisen müssen. Es standen geheim durchzuführende Wahlen an. Der Arbeitgeber untersagt diese Zusammenkunft mit Verweis auf die Covid-19-Pandemie als unvertretbar. Hiergegen wehrt sich der Konzernbetriebsrat und verweist darauf, dass er alle geltenden Maßgaben zum Infektionsschutz einhält.
Entscheidung:
Das Arbeitsgericht sieht keine gesetzliche Grundlage für ein solches Verbot. Der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats entscheidet über Art und Weise der Einberufung der Sitzung. Dazu gehört der Sitzungsort bzw. die Entscheidung, die Sitzung in Form einer Video- oder Telefonkonferenz durchzuführen. Auch die Regelung in § 129 BetrVG gebietet keine Telefon- bzw. Videokonferenz. Geheim durchzuführende Wahlen können nicht per Video- und Telefonkonferenzen abgehalten werden. Auch die trotz Verhaltensvorgaben verbleibende Risikosteigerung berechtigt nicht zu einer Untersagung.
Damit wird erneut bei den Arbeitsgerichten in Berlin, wie schon das LAG Berlin-Brandenburg am 24.8.2020, Az.: 12 TaBVGa 1015/20, einerseits der Vorrang von Präsenz sowie die Entscheidungshoheit des Betriebsrats bzgl. der Sitzungen bestätigt. Gleichzeitig ging es in den Entscheidungen immer auch um den Sachverhalt von Wahlen in der Sitzung, weshalb § 129 BetrVG schon als Rechtsgrundlage ausscheidet. Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass die Gerichte auch im Fall von § 129 BetrVG dem Betriebsrat die Entscheidung überlassen, jedenfalls wenn die Hygienevorschriften eingehalten werden können.
Betriebsräte sind Interessenvertretungen und können Entscheidungen nicht an die Belegschaft zurückgeben (Belegschaftsquorum)
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.07.2020, Az.: 1 ABR 4/19
Sachverhalt:
Im konkreten Fall schlossen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu variablen Vergütungsbestandteilen für Beschäftigte im Lager ab. Bedingung für die variablen Vergütungsbestandteile war, dass ihr 80 % der in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer*innen bis zu einem Stichtag einzelvertraglich schriftlich zustimmen. Hierzu erhielten die Beschäftigten ein schriftliches Angebot des Unternehmens. Es bedurfte also eines Quorums von 80 %. Bei einem Unterschreiten konnte der Arbeitgeber einseitig entscheiden, ob er die variablen Vergütungsbestandteile dennoch gewähren will. Der Betriebsrat hielt die Betriebsvereinbarung für unwirksam und klagte auf Feststellung der Unwirksamkeit. Arbeits- und Landesarbeitsgericht gaben dem nicht statt.
Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hält die Regelung für unwirksam und hielt die Rechtsbeschwerde für begründet. Eine Betriebsvereinbarung wird unmittelbar und zwingend und diese normative Wirkung kann nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden. Hiermit überschritten die Betriebsparteien ihre Regelungskompetenz. Eine Betriebsvereinbarung schafft objektives betriebliches Recht.
Gibt es in der Betriebsvereinbarung eine „Bedingung“, widerspreche das der Struktur der Betriebsverfassung. Der Betriebsrat sei gerade Repräsentant der Belegschaft und nicht an Weisungen des Arbeitgebers noch der Belegschaft gebunden. Der Betriebsrat gestalte Regelungen unabhängig vom Willen der Belegschaft, zum Beispiel auch für später eintretende Arbeitnehmer*innen.
Da dieser Fehler hier die Wirkung betrifft, ist die Betriebsvereinbarung auch nicht nur teilunwirksam, sondern insgesamt unwirksam.